Essig + Öl
Es ist Mittag.
Frau Sorg macht eine Salatsauce.
Sie giesst Öl und Essig in die Salatschüssel. Dann lässt sie die Sauce stehen und rüstet den Salat.
Das Öl sagt zum Essig:
• Bist du sauer?
• Was meinst du mit „sauer“, fragt der Essig. Natürlich bin ich sauer! Ich bin schliesslich Essig.
• Ich meine, hast du schlechte Laune, sagt das Öl.
• Ja, das kannst du laut sagen. Frau Sorg hat gestern meine Flasche nicht verschlossen.
• Na und, sagt das Öl, da hattest du wenigstens Luft zum Atmen.
• Na und, na und! Ich brauche keine Luft zum Atmen! Jetzt sind natürlich meine Moleküle abgehauen.
• Was für Kühe, fragt das Öl?
• Nicht Kühe, Moleküle, sagt der Essig. Duftmoleküle. Diese kleinen Dinger, die man riechen kann in der Luft. Mit der Nase.
• Die hauen einfach ab, wenn die Flasche offen ist, fragt das Öl?
• Ja natürlich, einige tanzen immer an der Oberfläche und wenn sie können, hauen sie ab; sich verflüchtigen heisst das!
• Wohin denn?
• Na in die Luft, da sausen sie herum wie die Verrückten.
• Ich sehe nichts, sagt das Öl.
• Die kann man nicht sehen, sagt der Essig, die sind sehr klein. Man riecht sie, es sind Duft- oder Geruchsmoleküle.
• Geruchsmolekühe, sagt das Öl, klingt kompliziert.
• Ist auch kompliziert, sagt der Essig. Ich zeichne dir eins, siehst du, so ist es gebaut, es ist eine Kombination aus Atomen.
• Atome, staunt das Öl?
• Atome sind noch kleiner als Moleküle, klein, kleiner, am kleinsten.
• Hör endlich auf! Moleküle! Atome! Ich dachte du bist einfach ein Essig. Und jetzt erzählst du von Geruchskühen, äh Geruchsmolekülen, die stinken.
Essigsäure (Strukturformel): Anordnung der Atome im Molekül // Methyl-Acetat-Essigsäure: Modell (cleanpng)
H= Wasserstoff, C =Kohlenstoff, O= Sauerstoff
• Nein, sie riechen, sagt der Essig.
• Wonach riechen sie denn, fragt das Öl?
• Hast du denn keine Nase? Nach Weissweinessig und Kräutern, denn ich bin ja ein Essig aus Weisswein und Kräutern.
• Moleküle, Atome und Kräuter!, sagt das Öl. Mein Gott und ich dachte, wir machen hier einfach eine Salatsauce, ein bisschen von mir und ein bisschen von dir und dann Salz und Pfeffer und umrühren. Wobei ich natürlich das Wichtigste bin, sagt das Öl.
• Du bist das Wichtigste, sagt der Essig. Warum denn das?
• Ja ich mache den Salat schön sämig und schmierig; eben ölig!
• Ja mit deinem geölten Maul?
• Was meinst du mit geöltem Maul, fragt das Öl?
• Das ist ein Maul, das läuft wie geschmiert.
• Wie kommst du darauf, fragt das Öl?
• Weil du sagst: Ich bin das Wichtigste! Das sagt nur jemand, der ein geöltes Maul hat.
• Ich bin immerhin Olivenöl, sagt das Olivenöl, kaltgepresst!
• Und ich bin Kressiessig, mich hat man zu gar nichts gepresst!