Tempel der Weisheit



Ha.Sch.                     


Manchmal dringt noch Lärm durch die Fensterläden, aber auch das immer weniger. Nicht nur das Haus ist nun verlassen, auch die Strasse wird nicht mehr begangen.

Ich suchte die Ruhe und ich habe sie gefunden. 

Ich sitze im Lehnstuhl, ich lege mich auf das Bett, ich gehe durch das Haus wie durch mein bisheriges Leben.

Es ist ein grosses Haus, vier Stockwerke mit dem Estrich.

Ich gehe treppauf und treppab und spreche mit mir selber. Das hat mich überrascht, dass man das Sprechen nicht lassen kann. 

Am liebsten halte ich mich im Estrich auf, er ist der Ort, der meiner gegenwärtigen Stimmung am meisten entspricht.

Es ist aber kein Estrich, wie man sich einen Estrich vorstellt, mit verbrauchtem Gerümpel, zerbrochenem Spielzeug aus der Kindheit, dem Gehstock des Urgrossvaters, dem zerrissenen Sonntagshut der Grossmutter.

Dieser Estrich ist vollgestellt mit Büchern, alten Büchern. Alle verstaubt und lange nicht geöffnet. Einige waren vielleicht noch gar nie geöffnet worden. Auch mich hatten sie bisher nicht interessiert.

Jetzt sitze ich hier stundenlang in einem Korbstuhl und blättere, solange ich den Staub ertrage. Dann steige ich in die Küche hinunter, fünfzig Stufen, und mache mir einen Tee. Lasse mir durch den Kopf gehen, was ich gelesen habe.

Es sind seltsame Themen, um die es in den Büchern geht. Im Vorhof des Tempels der Weisheit, von den wahren und falschen Rosenkreuzern, heisst eines. Aber es ist vielleicht eher der Vorhof des Vorhofs der Weisheit. Die geheimen Künste der Rosstäuscher, ist der Titel eines anderen, in dem es darum geht, wie man beim Kauf von Pferden Schaden vermeiden kann. Ein weiteres handelt von Luthers Hexen- und Aberglaube.

Und so geht es weiter. Ein Buch seltsamer als das andere. Seltsame Vorfahren habe ich gehabt. Seltsam bin ich selber geworden.