Über Gedanken (Variationen)



Wirrwarr

Ordnung hilft schon im Leben. 

Aber mir hilft sie nicht, weil ich keine Ordnung halte. Einfach nicht kann. Bei mir herrscht Unordnung, ein Durcheinander.

Unordnung kann ja kreativ sein, aber davon merke ich nichts. Mich verwirrt sie eher. Sie bringt mich ganz durcheinander.

Nehmen wir nur einmal die Gedanken. Bis ich da den richtigen finde, muss ich erst den halben Kopf ausräumen. Und ob der dann noch klar ist, der Gedanke, nach all dem Suchen und Wühlen, das bleibe dahingestellt.

Oder nehmen wir mein Auftreten, meine Erscheinung. Das hängt ja alles zusammen. Wirres Haar und wirre Gedanken. Wirre Augen und ein wirrer Mund. Eine verwirrte Nase ist dann allerdings wieder etwas anderes.

Und von wirr zu irr ist ja nur ein kleiner Schritt, genau genommen nur ein Buchstabe.


Aniflur, '20


Hartnäckige Gedanken

Heine hatte Zahnweh im Herzen: auf die Diagnose muss man erst einmal kommen. Aber er war nicht umsonst ein Genie. 

Das bringt mich auf den Gedanken, dass die Ursache meines Kopfwehs chronische Verstopfung sein könnte. 

Bevor Sie den Kopf schütteln, was ich verstehe, hören Sie sich die Symptome an und urteilen Sie dann selber. 

Seit einiger Zeit gehen mir gewisse Gedanken durch den Kopf, sie stecken da drin und verstopfen die Gänge, also die Gedankengänge. Was das für Gedanken sind, tut eigentlich nichts zur Sache, fest steht, dass sie lästig sind, Gedanken, von denen ich mich gerne trennen würde. Ich versuche sie natürlich zu verdrängen und an etwas anderes zu denken, an nachgiebigere, duldsamere Gedanken, aber sie sind festgefahren und unbeweglich, kennen kein Erbarmen. Es sind Gedanken, die mit mir hadern, die mich in Beschlag nehmen und nicht mehr loslassen. Ich weiss schon, vielleicht müsste ich zu einem Gastroenterologen gehen oder zu einem Psychiater.

Aber man hofft ja immer, dass sich alles von selber auflöst. 


Hape


Gehaare

Die Haare haben natürlich mit den Gedanken zu tun und die Gedanken mit den Haaren, das ist ja klar, es gibt da viele Parallelen.

Im Alter verlieren sie ihre Elastizität, sitzen auch nicht mehr so wie früher, haben Lücken. Sind allgemein dünner gesät, und man muss froh sein, wenn man überhaupt noch welche hat. Und sie verflüchtigen sich auch leichter, eben waren sie noch da und schon sind sie weg.

Das war früher doch anders. Da waren sie wild und ungestüm, vielleicht manchmal auch wirr, aber das war damals Mode. Je wirrer desto besser, etwas Gutes war immer dabei. Jetzt sind sie manchmal auch wirr, aber da ist nicht viel Gutes dabei, sie kommen sich in die Quere, stehen sich im Weg. Oft kann man sie auch nicht unterscheiden oder findet den roten Faden nicht mehr. Da bringt auch das Haarfärben nicht viel.


Aniflu,'18


Einen Gedanken ausdrücken

Es hat keinen Sinn, einen Gedanken auszudrücken, wenn er nicht von selber raus will. 

Dieses Drücken und Quetschen ist unappetitlich und vor allem, es bringt nichts;  das, was dann rauskommt, kann man eh nicht gebrauchen.

Wenn sich ein Gedanke erst bitten lässt, wird es sowieso nicht weit her sein mit ihm, meistens sind es dann Gedanken aus zweiter Hand und von denen gibt es genug.

Ich weiss schon, es gibt Leute, die bemühen sich und wollen das Letzte aus einem Gedanken herausholen. Sie feilen an ihm herum und denken nach und überdenken alles zweimal, hier und dort wird was weglassen, und dort und hier was hinzugefügt; sie quetschen einen Gedanken regelrecht aus.

Aber wie gesagt, das wird selten was Gutes, meistens aber Machwerk, also verlorene Liebesmühe. Entweder die Gedanken sind da und sprudeln hervor, oder man soll es sein lassen.

Dann hat man eben keine Gedanken. Da macht einem niemand einen Vorwurf. Besser keinen Gedanken ausdrücken als einen, den man künstlich beatmen muss. Auf solche Gedanken wartet niemand. 

Und was noch ein Problem ist mit diesen ausgedrückten Gedanken:

Überall liegen dann diese zerquetschen Tuben herum. 

Also lassen Sie es sein.


Sophie, '88


Sich Gedanken machen

Am Abend esse ich nichts Grosses mehr, ich werfe ein paar Gedanken in die Pfanne, dazu einen kleinen Salat, das ist alles. 

Aber vielleicht sollte ich auf die Gedanken verzichten, denn sie liegen mir im Magen, lassen mich nicht schlafen.

Es kommt natürlich darauf an, was für Gedanken es sind, nicht alle liegen gleich schwer im Magen. Wenn sie mir aufstossen, nehme ich Paspertin, um die Peristaltik wieder in Ordnung zu bringen, aber das gelingt nicht immer, und es bleibt dieser Kloss in den Eingeweiden, der alles in Aufruhr hält. Offenbar ist meine Verdauung auch nicht mehr wie sie einmal war, oder die Gedanken sind nicht mehr gleich verdaulich, das ist auch möglich. Zu viel Knoblauch vielleicht oder zu viel Unsinn

und Sinnlosigkeiten, die sich nicht verdauen lassen.

Wie auch immer, ich sollte besser auf meine Gedanken achten und nicht alle gleich herunterschlingen.


Ymér, '19


Gedanken verloren

Ich habe einen Gedanken verloren.

Das ist in meinem Alter ja nichts Besonderes.  Aber wo soll ich ihn jetzt suchen? Wo war ich denn, als ich ihn verloren habe? Ich folge der Erinnerungsspur durch Gedankengänge, durch die Schrunden und Schluchten da oben im Gehirn auf der Suche nach meinem Gedanken. 

Und wenn ich ihn dann finde, den Gedanken, bin ich ihm nicht mehr gewachsen. Es gibt Zeiten, da wachsen sie mir regelrecht über den Kopf. Oder ich verlier mich in ihnen, und muss mich dann mühsam wieder suchen. Und finde ich mich nicht, ja, dann stehe ich da, wie bestellt und nicht abgeholt.