Über die Zeit 



Die Zeit totschlagen

 

Es soll ja immer mehr Leute geben, die ihre Zeit totschlagen. 

Ich bin da vorsichtig. So einfach ist das nicht. Die Zeit ist schwer fassbar, und wenn man sie doch einmal zu fassen kriegt, zerrinnt sie einem unter den Fingern. 

Aber nehmen wir mal an, es gelingt sie totzuschlagen. Was dann?

Alles würde stillstehen. Was gestern geschehen ist, wäre heute. Und morgen würde gar nicht passieren. Immer dasselbe. Langweilig. Ja nicht mal langweilig wäre das. Denn für die Langeweile muss sich die Zeit ja endlos lange hinziehen. Aber das kann sie ja nicht, wenn sie tot ist. Und was wäre mit der Sonne? Die stände da am Himmel und könnte nicht untergehen. Oder noch schlimmer, sie wäre untergegangen und könnte nicht mehr aufgehen. Und dann, wie sollten wir uns verabreden?

Also das mit dem Zeittotschlagen würde ich mir nochmals überlegen.


Ymér, '20. Auf dem weiten Meer der Zeit


Die Zeit läuft

Die Zeit läuft, das sagt man doch, hört man immer wieder: die Zeit läuft.

Und die meisten sind besorgt deswegen. Als ob sie weglaufen würde. Und wenn schon, soll sie doch laufen, wohin sie will. Warum rennen ihr alle nach, das bringt doch nichts. Hat man die Zeit aufgeholt, beginnt ja alles wieder von vorne.

Überhaupt ist das alles eine grosse Täuschung. Ich habe nämlich das Gefühl, dass die Zeit gar nicht läuft sondern schwebt. Über unseren Köpfen. Nein, nicht wie ein Damokles-Schwert, dieses Schwert, das an einem Faden hängt, und man weiss nicht, wann der Faden reisst, und es herunterfällt, aber irgendwann fällt es, das Schwert, direkt auf meinen Kopf. Nein so ist die Zeit nicht, sie ist kein Schwert, sie ist eher wie die Luft, man braucht sie zum Atmen, aber dazu muss man ihr nicht nachrennen, sie ist immer schon da. Wenn sie nicht mehr da ist, braucht man auch nicht mehr zu rennen. Oder zu atmen.


Ymér,'20.  Jedes Ding hat seine Zeit (und seinen Ort!)