Über das Weinen



Heulendes Elend

Das heulende Elend stellt man sich laut und ungebärdig vor, aber dem ist nicht so. 

Eigentlich kommt es auf leisen Sohlen, fast ein bisschen verschämt, als traute es sich nicht, sich zu zeigen. Es heult auch nicht, wenn man unter Heulen etwas Langgezogenes, Urtümliches versteht, so etwa wie Wölfe heulen. Ganz im Gegenteil: Das heulende Elend heult in sich hinein, will niemand erschrecken. Es heult still vor sich hin, kann nicht aufhören damit. Es ist in sich selber verbannt, kann nicht mehr aus sich heraus, das macht sein Elend aus. Und so hockt es dann da, mit sich alleine, hört niemandem mehr zu. 

Was will man da machen.


 Ymér, '15


Zännen

Ich habe als Kind nicht geweint. 

Mein Weinen war ein Zännen.

Jetzt kann ich nicht mehr zännen, nur noch weinen. Hab das Zännen verlernt.

Hat natürlich damit zu tun, dass die Mutter nicht mehr sagt: Du muesch nöt zänne. Mit dieser Stimme, die es auch nicht mehr gibt.

Zudem braucht es zum Zännen ein rundes Kindergesicht, auch das habe ich nicht mehr. 

Ich weiss nicht woher das Wort kommt. Ich habe schon gedacht, es hat etwas mit der Zähre zu tun. Aber das kann nicht sein. Eine Zähre ist eine einzelne grosse Träne. Zum Zännen hingegen braucht es viele kleine Tränen, eine nach der andern, bis das ganze Kindergesicht nass ist.


                                                                                                                      Sophie