Stutz, Gottfried
Onkel Kleo ist gekommen. Er hat Kastanien mitgebracht. Jetzt machen Aniflur und Ymér im Garten auf dem Feuer heisse Maroni.
Sie reden über dies und das, zum Beispiel, dass man aus Kastanien Vermicelles macht und dass «vermi» auf Italienisch Würmer heisst.
Und dann fragt Onkel Kleo:
• Kennt ihr den Stutz?
• Ich hätte lieber einen Stutz, sagt Ymér.
• Nein nicht das Geld, sagt der Onkel.
• Etwa das Baugeschäft Stutz, fragt Aniflur.
• Nein, nicht diesen Stutz, den anderen, den Gottfried Stutz.
•• Kennen wir nicht, sagen die Kinder.
• Komisch, sagt der Onkel, dort, wo ich wohne, kennt ihn eigentlich jeder. Er ist sehr bekannt. Soll ich euch von ihm erzählen?
••Ja, bitte, was ist das für ein Typ?
Ymér 2019
• Also bei uns sprechen alle über ihn, meistens in hohen Tönen.
• Was heisst in hohen Tönen?
• Ja, seinen Namen sprechen die Leute immer sehr laut aus, das ist so eine Gewohnheit. Gottfriedstutz!!, rufen sie, wenn der Rasenmäher nicht geht oder Gottfriedstutz!!, die Post hat wieder Verspätung.
• Vor ein paar Tagen kam der Gottfried bei mir vorbei und beklagte sich.
• Weisst du, sagte er zu mir, langsam wird es mir zu viel. Versteh mich nicht falsch, ich helfe ja gern, wenn ich kann. Aber gibt es denn niemand anderes? Immer rufen sie nach mir: Gottfriedstutz hier und
Gottfriedstutz da!
Wie gestern wieder. Da hat sich der Nachbar mit dem Hammer auf den Finger gehauen. Gottfriedstutz!! hat er gerufen, Gottfriedstutz noch
einmal!! Ja, was kann ich dafür, dann geh doch zum Arzt, warum rufst du nach mir, habe ich ihm gesagt.
Gut, das war nicht sehr freundlich, aber ist doch wahr!
• Oder letzte Woche, man glaubt es nicht, da hat einer gerufen: Gottfriedstutz, jetzt bin ich in diesen Scheisshaufen getreten! Ja dann pass doch besser auf, wo du hintrittst! Und was soll ich jetzt tun, den Schuh ablecken?
Und so geht das die ganze Zeit.
• Und die freundlicheren Leute oder die, die mich nicht verärgern wollen, zum Beispiel der Pfarrer oder die älteren Damen, sagen: Gottfriedstüdeli! Aber das ändert auch nichts. Ich weiss ja, dass ich gemeint bin.
Gottfriedstüdeli!, jetzt habe ich schon wieder einen Fleck auf meiner weissen Bluse. Gottfriedstüdeli!, wo ist denn mein Messbuch geblieben.
Gottfriedstüdeli! Gottfriedstüdeli! So geht das die ganze Zeit.
• Ich habe ihn ein bisschen beruhigt und getröstet.
Gottfried, habe ich gesagt, sieh es doch mal so, es ist doch schön, wenn man gebraucht wird. Was würdest du denn tun, wenn dich plötzlich niemand mehr rufen würde? Alleine zu Hause sitzen?
• Ja, du hast recht, hat er gesagt, so habe ich es noch nicht betrachtet.
Immerhin kennt mich jeder, immerhin bin ich beliebt, immerhin führt jeder meinen Namen im Munde. Das ist doch auch was wert.
Und zufrieden ging er nach Hause.