Bagger und

U-Boot



Ymér 2019


Der Bagger mit Namen Trax arbeitet am Bodensee.
Er muss am Ufer einen Aushub machen für das Würth Haus in
Rorschach. Er schaufelt und gräbt schon seit zwei Stunden.

Es ist streng; er schwitzt und schnauft. Das Öl läuft ihm aus allen Poren.
Die Erde ist lehmig und schwer, manchmal versinken seine Raupenräder fast im Dreck. Er arbeitet eine weitere Stunde und macht dann Pause.
Er parkiert im Park des Kunsthauses Würth neben der Skultpur der Niki de Saint Phalle.



Gefällt mir nicht schlecht, denkt der Bagger, aber man müsste die Skulptur natürlich grösser machen, etwa so hoch wie ein Haus, dann würde sie besser aussehen. Und ich hätte darin Platz.
Er isst sein Schmierstoffbrot und trinkt seinen Dieseltee und schaut auf den See hinaus. Der See ist ruhig und hat die gleiche blaugraue Farbe wie der Himmel. Und während er isst und trinkt und schon fast am Einschlafen ist, sieht er plötzlich, dass mitten im See etwas aus dem Wasser steigt.


Wie ist das möglich? Eben war das Wasser noch ruhig und träge und jetzt beginnt es zu brodeln und spritzen und Wellen zu werfen. Der Bagger schaut genauer hin. Ein grauer Rücken taucht auf wie von einem Wal oder sonst einem Riesenfisch. Gibt es etwa Wale im Bodensee? Das wäre mir neu! Jetzt sieht der Bagger auch die Rückenflosse des Riesenfisches.



Aber Halt: das ist doch keine Flosse, das ist der Turm eines U-Bootes oder wie sagt man, die Einstiegsluke. Tatsächlich, jetzt ist das U-Boot ganz aufgetaucht und kommt ans Ufer geschwommen. Ein U-Boot im Bodensee, nicht schlecht!


Ymér 2019


  Hallo lieber Bagger, ruft das U-Boot, kannst du mir sagen, wie ich nach Rorschach komme, ich habe die Richtung verloren.
  Kann ich verstehen, sagt der Bagger, unter Wasser sieht man nicht gut. Aber du hast Glück gehabt, du bist schon in Rorschach.
  Ah, sehr gut, sagt das U-Boot.
  Wie ist das Wasser heute, fragt der Bagger?
  Blaugrau, sagt das U-Boot, also trüb, aber sonst ganz angenehm.
  Ich mag das Wasser nicht, sagt der Bagger. Ich musste mal einen Bach ausbaggern und bin fast versoffen. Die ganze Kabine war voll von dem Dreckwasser.
  Ja, Bäche mag ich auch nicht, sagt das U-Boot, viel zu eng und überall Kurven.



  Wie machst du es, fragt der Bagger, dass du schwimmen kannst, du bist doch noch schwerer als ich?
  Ja weisst du, sagt das U-Boot, das kommt auf die Fläche an, die auf dem Wasser aufliegt. Ich bin lang und flach und das hält mich über Wasser. Wirf eine Holzkugel ins Wasser und sie versinkt, und dann wirf einen Holzprügel ins Wasser und er schwimmt.



 Du meinst, sagt der Bagger, ich bin die Holzkugel und du bist

der Prügel?
 Ja genau, sagt das U-Boot mit Namen Rémy.
 Was machst du überhaupt im Bodensee, fragt der Bagger?
 Ja weisst du, sagt das U-Boot, die glauben, dass im Weltkrieg ein Flugzeug in den Bodensee gestürzt ist, und jetzt schau ich mal nach, ob ich was finde.
 Noch eine Frage, sagt der Bagger. Du sagst, dass du einen langen Rumpf oder Bauch hast, und das Wasser dich trägt, aber wie kannst du denn tauchen?
 Wenn ich tauchen will, sagt das U-Boot, lass ich Wasser in meine Tanks, hier unten am Rumpf. So werde ich schwerer und beginne zu sinken. Und dann habe ich ja noch ein Ruder und einen Motor, der treibt mich unter Wasser weiter.
 Und zum Auftauchen lässt du das Wasser wieder aus dem Tank?
 Ja genau.
 Aber wie geht denn das, da unter Wasser. Da fliesst doch sofort wieder Wasser in den Tank, wenn du den Tank öffnest.
 Ja, dazu muss man in die Tanks Luft pressen mit hohem Druck.



 Interessant, interessant, sagt der Bagger mit Namen Trax, ich hätte noch viele Fragen, aber leider muss ich wieder arbeiten. Die wollen da eine neue Skulptur aufstellen oder so einen grossen Linolschnitt, und dazu brauchen sie ein Fundament. Ich habe den Linolschnitt schon gesehen und fotografiert. Schau hier auf dem Handy.
 Ich mach ja selber in der Freizeit Linolschnitte, sagt der Bagger, aber so gut kann ich es natürlich nicht, ich habe nicht so feine Finger, ich habe nur die Schaufel.
 Ich mache Aquarelle, sagt das U-Boot, das Wasser inspiriert mich. Und natürlich die Fische, denen ich jeden Tag begegne.
 Also ich muss jetzt, sagt der Bagger, mach es gut und auf Wiedersehen.
 Ja, sagt das U-Boot, ich bin noch ein paar Tage hier, nachher muss
ich in die Antarktis für eine Forschungsreise.
 Ja dann sehen wir uns sicher noch, bis bald.


Ymér 2019, Linolschnitt aus der Baba-Serie