Karl der Grosse (747-814)



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Karl der Grosse war grösser als die meisten Leute seiner Zeit, aber nicht deswegen wurde er der Grosse genannt, sondern wegen seiner grossen Ohren. Er war schon als Kind furchtbar stolz auf seine Ohren. Das sind Ohren, erzählte er überall, wie findet ihr die?! Was wollten die Leute schon sagen, einem Prinzen sagt man ja nicht: Hau ab mit deinen komischen Ohren. Also sagten sie: Ganz schön dicke Ohren sind das, die halten sicher was aus. Und das taten sie auch, denn Karl der Grosse war schon als Kind ein Raufbold und Waffennarr. Er ist es bis ins hohe Alter geblieben. 


Karlsstatue in Frankfurt                         Karl als kleiner Raufbold (757)


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Als er noch klein war, hiess er noch nicht der Grosse, ist ja klar, während sein Bruder schon als Bub Karlmann hiess. Das fand Karl gar nicht gut: Warum darf der heissen wie ein Mann, murrte er, dabei haue ich den doch um wie nix und wisch den Boden mit ihm auf.

Aber was wollte er machen, sein Vater war König Pippin (wirklich, der hiess so) und ein König kann ja Namen verteilen, wie er will. 

Später dann, als er erwachsen war, hiess er Carolus Magnus, oder Charlemagne oder Karl der Grosse, je nachdem welche Sprache man sprach.

 

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Er wuchs auf am Hofe seines Vaters. Aber der Hof war kein Hof wie man das heute kennt, der Hof war mehr eine Karawane, zog dauernd herum mit Sack und Pack und fünfhundert Reitern. So sah schon der kleine Karl der Grosse das ganze Frankenreich, das seinem Vater gehörte.  

Bevor der Vater Pippin starb, nahm er sein Reich und brach es in zwei Teile und sagte: Dies ist das Land, das dir gehören soll und gab Karl die Hälfte. Das war Neustrien, Austrasien, West-Aquitanien. Und dann nahm er die andere Hälfte und sagte: Dies ist das Land, das dir gehören soll und gab sie Karlmann. Das war im Jahr 768.

Die Jungs nahmen ihr Land und stiegen aufs Pferd und begannen mit dem Regieren. Aber beide waren nicht begeistert, jeder hätte lieber alles gehabt. Zum Glück starb der Karlmann dann, und Karl bekam das ganze Reich. Wurde aber auch Zeit, sagte Karl, bin schliesslich schon 24. Das war im Jahr 771.


Blau: Frankenreich bis 768       Braun: Eroberungen Karls        Gelb: von Karl kontrolliert


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Aber was sollte er jetzt machen mit diesem Haufen Land, das meiste war sowieso nur Wald und Sumpf. Und was sollte er mit all den Menschen?  Er ging auf und ab und überlegte. Zwischendurch zog er sich splitternackt aus und ging eine Runde schwimmen. Dann übte er sich im Speerwerfen. Dann ging er wieder auf und ab und überlegte: Jetzt bin ich der alleinige König, was soll ich jetzt nur machen, mmh.

Und dann eines Tages stand er plötzlich still und sagte laut, obwohl es niemand hören wollte: Dieses Europa ist eine einzige Sauerei, das muss ich jetzt mal aufräumen. Mit Europa meinte er die Franken, Sachsen, Bayern, Schwaben, Alawen, Lombarden. Die Helvetier und Rätier meinte er nicht, die waren ihm sympathisch.

Sein Berater, ein dürrer eckiger Priester mit Namen Alkuin, ein superschlauer Kerl, sagte zum ihm: Mein lieber Karl, putz lieber zuerst vor der eigenen Tür, bevor du Europa in Ordnung bringst, du könntest deine Pferdeställe ausmisten. 

Gesagt, getan. Der Grosse Karl nahm Besen, Schaufel und Gabel und machte sich an die Arbeit. Es war mühsam und es stank gewaltig. Das stinkt mir, sagte der Grosse Karl, wozu bin ich eigentlich König, ich geh lieber ein bisschen in den Krieg, und lass die andern aufräumen. 

 

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Gesagt, getan. Er stieg aufs Ross und ritt in den Krieg. Er ritt kreuz und quer durch Frankreich und Deutschland und die Lombardei, aber nirgends war Krieg und niemand wollte sich mit ihm schlagen. Was ist denn los mit euch, sagte er zu den Leuten, warum ist nirgends Krieg? Habt ihr Schiss oder was? Was sollen wir mit einem Krieg, du bist doch sowieso der Stärkere, sagten die Grafen und Herzöge (die Soldaten durften eh nichts sagen), das gibt nur eine Sauerei, und wir müssen dann wieder aufräumen. Da habt ihr auch wieder recht, sagte der Karl, genau das war mein Plan, aber gut, dann lassen wirs bleiben. 



Dann aber fand er doch noch ein Volk, das mit ihm streiten wollte. Das waren die Sachsen. Mit denen balgte er sich herum, bis Karl gewann und alle genug davon hatten (772-804). So, sagte er dann, nun müsst ihr christlich werden. Was sind das überhaupt für Götter, die ihr da habt, ihr seid ja richtige Heiden. Wie wärs, wenn ich ein paar Klöster stifte, dann könnt ihr Christen werden, die Mönche kennen sich da aus. Ist gebongt, sagten die Sachsen, das heisst, deren Herzoge und Ritter, die Bauern hatten sowieso nichts zu sagen. Und wisst ihr was, ich bleib ja nicht hier, ist mir hier viel zu sumpfig und dreckig. Du da, mit dem roten Bart, du kannst diese Stadt da regieren, musst aber machen, was ich sag. Und du da, mit den gelben Stiefeln, du bekommst ein paar Dörfer im Norden, aber nur, solange du machst, was ich sage. Also macht das so wie ich will, sonst könnt ihr Gift drauf nehmen. Das aber wollte keiner von ihnen. Und so teilte er alles auf, um in Europa Ordnung zu haben.

Dann ging der Karl der Grosse wieder nach Hause. Seinem Ross war das mehr als recht, war sowieso mühsam gewesen, den Grossen Karl überall hin zu tragen. Denn unterdessen war er ja der Grosse Karl, ein stattlicher Mann mit Stiernacken und dicken Beinen.


Reiterstatue Karls des Grossen, heute im Museum Louvre, Paris.

Das Pferd ist ein bisschen klein geraten für den grossen Mann, der da reitet.

 

 

 

 


Münze (Denar) mit Profil Karls des Grossen.

Da sieht man seinen Stiernacken.

Inschrift: KAROLVS IMP AVG.

= KAROLUS IMPERATOR AUGUSTUS


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Wieder zu Hause in seiner Pfalz machte er sich daran, endlich lesen und schreiben zu lernen, aber er kriegte es auch diesmal nicht gebacken. Also liess er es wieder bleiben. Dumm war er nicht und willig war er auch, aber das mit dem Lesen und Schreiben wollte ihm nicht richtig gelingen. Ich glaub, er war Legastheniker. 

Aber er musste ja nicht schreiben, dafür hatte er einen Schreiber und lesen musste er auch nicht, das machte sein Berater, dieser dürre angelsächsische Mönch mit Namen Alkuin, der konnte das gut, tat ja nichts anderes. Der las Karl aus der Bibel vor, bis dieser müde wurde, das war dem Alkuin noch so recht, so hatte er selber Zeit, die grossen Bücher zu studieren, die Karl der Grosse sammeln und abschreiben liess, obwohl er selber kaum schreiben konnte; komischer Kerl dieser Karl der Grosse. 


Das Zeichen Karls des Großen. (Wikipedia)

Eigenhändig ist nur der v-förmige Strich im rautenförmigen O des Karlsmonogramms, durch den die obere Hälfte des O zugleich als A (für KAROLVS) gelesen werden soll. Der Text lautet: Signum Caroli gloriosissimi regis (Zeichen des überaus glorreichen Königs Karl). 


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Dann sagte Karl zu seinen Leuten, wir brauchen noch Gesetze, es kann doch nicht jeder machen, was er will, ausser mir natürlich.

Euer Recht ist, dass ihr meine Untertanen seid, also habt ihr auch Pflichten. Und eure Pflichten sind die und die, und das und das, und das steht von nun an in den Gesetzen. Oder in den Kapitularien wenn ihr lieber wollt. Und seine Mönche aus England (diese Angelsachsen) schrieben die Gesetze auf Pergamentpapier. Sie lauteten im Grossen Ganzen so: Der Herrscher darf alles tun, denn er ist ja der Herrscher, und zwar von Gottes Gnaden, das heisst Gott persönlich hat ihn zum Herrscher gemacht. Die Fürsten und Herzoge und Bischöfe und andere wichtige Leute dürfen schon auch das eine oder andere tun, müssen ihm aber gehorchen. Die Bauern, nein die brauchen keine Rechte, sollen Mist führen und ackern. Die Stadtleute, also die Kaufleute und Handwerker, na gut, da habt ihr ein paar Rechte, die gebe ich euch gratis, solange ich, eurer Herrscher, profitiere von dem, was ihr macht.

Dann gab er noch ein paar praktische Tipps zum Gärtnern und Pferdezüchten. Die Mönche nahmen die Pergamentblätter und machten daraus ein schönes Buch und Karl legte es unter sein Kopfkissen. 


Das Capitulare de villis enthält Vorschriften und Verordnungen

zu vielen Bereichen des Lebens: z. B. Dreifelderwirtschaft, Weinbau, Zucht

von Pferden, Rindern. 

Kapitel 70: Auf den Krongütern soll man anpflanzen: Schwertlilien (lilium), Hundsrosen (rosas), Griechisch-Heu (fenigrecum), Salbei (savliam), Eberraute (abrotanum), Zuckermelonen (pepones), Helmbohnen (fasiolas) Frauenminz (costum), Weinraute (rutam) Gurken (cucumeres), Kürbisse (cucurbitas)


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Er liess auch alles aufschreiben, was ihm gehörte, wer wo wohnte, und ihm wieviel Enten und Hühner schuldete. Dafür baute er einen grossen Schopf und dort hockten an kleinen Tischen hundert Schreiber oder mehr und schrieben und schrieben. 

Sie schrieben Latein, aber auch uraltes Deutsch, Bretonisch oder stockfleckiges Französisch. Das musste so sein, sonst hätten die Grafen, denen Karl schrieb, kein Wort verstanden.

Und zu Alkuin, dem schlauen Mönch sagte Karl:

Du Alkuin, du schlauer Fuchs, wie die da schreiben, gefällt mir nicht. Eine rechte Schrift muss her! Was hältst du von der karolingischen Minuskel? Und Alkuin sagte, find ich nicht schlecht, ich lass gleich die Schreiber üben. Die übten ein bisschen und schrieben dann in karolingischer Minuskel.

Von der Hofschule Karls des Großen breitete sich diese Schrift dann aus,

denn neben dem Schopf war ein zweiter Schopf, dort hockten die Knechte und Reiter, die brachten, was die Schreiber schrieben, die Rechnungen, Befehle, Verordnungen und gut gemeinten Tipps, in die Klöster und Burgen und kamen zurück mit Enten und Hühnern und den Nachrichten von den Bischöfen und Fürsten. Die liess sich der Grosse Karl wieder vorlesen und sagte dann zu seinen Schreibern, schreibt das und das, und so und so, und so ging das die ganze Zeit immer hin und her und rauf und runter; so herrschte Karl der Grosse.


Rechts: Karolingische Minuskel

Bild: (Wikipedia) fol. 165 from Beinecke MS 413, Codex mit  Kapitularien von Karl dem Grossen und andern: KAROLVS GRATIA DI REX  = Karl, durch die Gnade Gottes König.


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Aber irgendwann hatte er in Europa Ordnung gemacht und wusste wieder nicht, was machen. Was soll ich nur tun, was machen denn Könige für gewöhnlich?

Ach genau, ich bin doch König von Gottes Gnaden, ich muss auch in der Kirche für Ordnung sorgen. Die Bischöfe, die sind einfach nicht fromm genug und gebildet schon gar nicht, können nicht mal richtig Latein, das muss jetzt aufhören. Gesagt getan. Er stellte sie in den Senkel, und wenn einer nicht wollte, ersetzte er ihn mit einem seiner Mönche. Er hatte nun mal diesen Fimmel mit der Kultur und der Bildung und seinen angelsächsischen Mönchen. So Typen wie der Hrabanus Maurus einer war , das waren die Leute, die ihm gefielen, und gute Krieger natürlich. Der Hrabanus war Chef der Klosterschule von Fulda und hat kluge Bücher geschrieben, über die Naturdinge zum Beispiel.


Der junge Hrabanus Maurus (links), unterstützt von seinem Lehrer Alkuin (Mitte), überreicht dem Heiligen Martin, Erzbischof von Tours, sein Werk De laudibus sanctae crucis. Darstellung in einem Manuskript aus Fulda um 830/40.

(Wien, ÖNB cod. 652, fol. 2v)(Wikipedia)


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Dann war auch das erledigt und ein Bischof war frommer als der andere. und Karl war es wieder langweilig. Nun gut, sagte Karl, jetzt bin ich Herr über soviel Länder, ich geh mal nach Rom zum Papst, der soll mich zum Kaiser krönen, bin eh ein fleissiger Christ. Gesagt, getan. Er machte sich auf und ritt über Feld und Weid (Strassen gab es nur wenige) und über die Alpen nach Italien. Das war im Jahr 800. Er ging nach Rom und sagte dem Papst: Was meinst du, hast du gerade Zeit. Natürlich sagte der, warum denn nicht, hab nichts zu tun, ich kröne dich gern zum Kaiser. Der Papst war Leo III, er dachte, gut so, dann denken alle, nur ich kann Kaiser krönen. Und der Karl dachte, gut so, dann sehen alle, dass ich auch über die Kirche, die Pfaffen und den Papst regiere.

Also liess Karl sich eine Krone machen vom Gold- und Silberschmied um die Ecke, aber die Krone wurde zu schwer und zu gross und darum konnte er sie nicht immer tragen, er bekam sonst Kopfweh vom Tragen. Aber unter dem Arm konnte er sie auch nicht tragen, denn beim Reiten hielt er noch Zügel und Schwert. Also stellte er einen Kronenträger an, der musste ihm auf Schritt und Tritt seine Krone nachtragen. Überhaupt war es jetzt schwierig als Kaiser, neben dem Schwerter musste er auch den Reichsapfel und ein Zepter tragen. Das hatte er nun davon, dass er unbedingt Kaiser werden wollte.


Links: Karl der Große, gemalt 1513 von Albrecht Dürer.         Rechts: Kaiserkrönung.


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So nun bin ich Kaiser, sagte der Karl, am besten ich gründe jetzt ein Reich und wohne im schönen Aachen.

Ich nenne es Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation (obwohl es damals ja noch keine Nationen gab) und Deutschland eigentlich auch nicht. Und das Reich soll 1000 Jahre dauern. Das meinte er als Witz, aber wer hätte es geglaubt, es existierte tatsächlich solange. Dann erst kam der eifersüchtige Napoleon und sagte: Wir Franzosen wollen auch einmal und liess sich zum Kaiser salben.

Und dann sass Karl also in Aachen, nicht immer, aber doch die meiste Zeit, und was sollte er nun machen. Gut, gut, sagte er, warum habe ich alle diese gescheiten Mönche, warum hole ich nicht noch mehr gescheite Leute, und wir machen hier in Aachen eine gescheite Schule für gescheite Leute. Gesagt, getan.

Karl baute eine Schule und dort lernten die Leute und sammelten Lieder, und schrieben griechische und lateinische Bücher ab, so Sachen über Medizin, Landwirtschaft und Philosophie und so.

Und die Schüler in der Schule lernten Singen, Lesen, Schreiben, Rechnen, lateinische Grammatik.


Aachen, Pfalz. Rekonstruktion                               


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Was kann ich jetzt noch machen, fragte er sich. Da kam ihm in den Sinn, dass er noch Kinder brauchte, seine Kinder sollten Könige sein, sonst wurde das nichts mit einer Dynastie und dem 1000jährigen Reich, nicht einmal mit einem 50jährigen.

Und er fragte seine Frau, wie machen wir das, und sie sagte, dass wirst du doch wissen. Und so machte er Kinder mit seiner Frau und noch ein paar mit anderen Frauen. Die Kinder der anderen Frauen konnten nicht König werden, Bastarde nannte man sie, aber für anderes konnte man Kinder von Königen immer gebrauchen. 


Kaiser Karl (links) im Gespräch mit seinem Sohn Pippin von Italien. Unten ein Schreiber.

Facsimile einer Miniatur aus dem Liber legum des Lupus Ferrariensis.

Biblioteca Capitolare zu Modena (Bild Wikipedia). 


Und dann wurde er langsam alt. Musste hinken, konnte nicht mehr gut schlafen, kam kaum noch aufs Pferd. Vergass überall sein Schwert und sein Szepter.

Eines Tages sagte er sich: Jetzt habe ich auch noch Gicht, jetzt ist es Zeit zu sterben.

Gesagt, getan. Das war im Jahr 814.


Der Sarkophag Karls des Grossen.