Treffen auf dem Marktplatz 



 Die Gutbetuchte kommt aus der Damenboutique, sie hat eben ein Fröhlichkeitskleid gekauft, man muss sich ja ab und zu etwas gönnen, was bei Frau Gutbetucht heisst, dass sie eben Kleider kauft, meistens aus gutem Tuch. Sie geht Richtung Marktplatz in ihrem Fröhlichkeitskleid und alle Leute, die sie sehen, winken ihr fröhlich zu, wenigstens glaubt sie das, aber lassen wir ihr diesen Glauben, er schadet ja niemandem. 


Hape


Auf dem Marktplatz stösst sie auf die Naturgemässe, sie kennen sich schon seit der Schulzeit. Die Naturgemässe trägt eine Tasche voll Naturgemüse, was mich zur Frage veranlasst, ob es denn auch Kunstgemüse gibt. Für das Naturgemüse zahlt die Naturgemässe gern ein bisschen mehr, obwohl sie weniger betucht ist als ihre Freundin. Naturgemüse sind reine Naturprodukte, was soviel heisst, dass das Gemüse gemüsegemäss angepflanzt und gezogen wurde, also ohne Pestizide oder Fungizide oder irgendwelche künstliche Kunstdüngereien. Apropos Kunst; als die beiden zusammenstehen und über Gemüseeintopf diskutieren, kommt doch tatsächlich die Kunstvolle mit Mann und Kind  dazu. 


Hape


Sie haben sich schon lange nicht mehr gesehen, denn die Kunstvolle war zwei Wochen verreist, sie war an der Documenta in Kassel und hat jetzt natürlich oder soll ich sagen künstlich den ganzen Kopf voll Kunst und Kunst und noch mehr Kunst. Mir wäre das ja zu viel, aber ihr gefällt es so, und wer bin ich denn, ihr das übelzunehmen.

Kaum habe ich das klargestellt, da sehe ich die Schwerbeladene in aller Ruhe quer über den Platz gehen, obwohl es doch verboten ist, mit länglichen Paketen quer über den Platz zu gehen, wie die Verbotstafel zeigt, aber das kümmert sie nicht. Zum Glück ist kein Polizist in der Nähe.


Hape


Nach der Schwerbeladenen kommen die Schlichtheit und die Übermütige.

Die Schlichtheit ist, wie man sich vorstellen kann, schlicht und einfach gekleidet und bildet einen angenehmen Kontrast zum Fröhlichkeitskleid der Gutbetuchten, und die Übermütige beginnt ein Gespräch über den Mut, an dem sich alle begeistert beteiligen.

Sie sprechen also über Mut, vorwiegend über Armut, Anmut und Unmut. Zu Unmut haben sie allen Grund, denn eben sehen sie den Übelgelaunten um die Ecke biegen, aber keine Angst, er ist begleitet vom Kreuzbraven, das ändert die Sache, wenn der dabei ist, kann nicht viel passieren, obwohl ich zugegebenermassen nicht weiss, was kreuzbrav bedeutet. Aber gut, man nennt ihn nun einmal so, was soll ich machen.


Hape


Macht ja auch nichts, denn jetzt kommt noch die Beliebtheit dazu, begleitet von ihrem Mann und erzählt, dass sie nichts dafür kann, wenn sie alle lieben, oder soll sie sich etwa darüber ärgern, das würde ja niemand verstehen. Sie schlendern über den Markt, vorbei an der italienischen Salami, den Bodenseefischen, den Biobroten und kommen zum Blumenmarkt, wo wie jeden Samstag die Unverblümte ihre Blumen verkauft und dabei kein Blatt vor den Mund nimmt, und gerade das gefällt den Leuten, die Schlange stehen, um ihre Blumen zu kaufen.  


Hape


Aber jetzt gerade hat sie ein Problem, denn die Zerstreute hat sich den Margeriten genähert und reisst gedankenverloren die Blütenblätter ab und zerstreut sie auf dem Boden. Dabei sagt sie abwechselnd: Er liebt mich – er liebt mich nicht. Mit allem Verständnis für die Zerstreutheit und den Liebeskummer der Zerstreuten, aber das geht natürlich nicht, das findet auch die Gutbetuchte und geht hin und bezahlt der Unverblümten die zerstörten Blumen. Die Schlichtheit nimmt die Zerstreute am Arm und führt sie weg zur Kunstvollen, die sie mit kunstvollen Erzählungen von der Documenta in Kassel unterhält und zerstreut. Und so sind alle wieder schlichtweg zufrieden, zumal auch der Übelgelaunte nichts angestellt hat, denn der Kreuzbrave hat auf ihn aufgepasst und wenn wir auch nicht wissen, was kreuzbrav bedeuten soll, eins können wir sagen, kreuzdumm ist der Kreuzbrave auf jeden Fall nicht, den Eindruck hat er nicht gemacht.