Die Schafe

vom Schäfler



Jedes Jahr treffen sich auf dem Schäfler Schafe aus ganz Europa.

Für alle, die in der Schule nicht aufgepasst haben: Der Schäfler ist ein Berg im Alpsteinmassiv, der Alpstein ist im Appenzellerland, und das Appenzellerland ist im Osten der Schweiz.


Saaser Mutte, ProSpecieRara


Das Langohrschaf aus dem Wallis ist zum ersten Mal dabei.

Es ist noch jung, hat noch nicht viel von der Welt gesehen und staunt darum nicht schlecht, was es alles gibt. Es gibt braune, schwarze, weisse, silbrige und kupferfarbige Schafe. Es gibt Schafe mit gedrehten und andere mit spitzen Hörnern und es gibt Schafe ohne Hörner. Aber das wusste es schon, es ist ja eine Saaser Mutte und Saaser Mutten haben keine Hörner. Dafür wunderlange Ohren.

Normalerweise treffen sich die Schafe in Wasserauen und wandern dann los Richtung Seealpsee und Ebenalp. Oder vielleicht müssen wir sagen, sie grasen los, denn natürlich nehmen sie es gemütlich und fressen unterwegs, was es zu fressen gibt: Kräuter, Blätter, Gras, und Rindenstücke. Nur die Schafgarben fressen sie nicht, die lassen sie stehen, Schafgarben fressen ist unanständig. Auch das Geissblatt fressen sie nicht, denn Geissen sind schliesslich Verwandte.


Merinoschafe. 4028mdk09, CC BY-SA 3.0    /                  Ostfriesische Milchschafe. EwigLernender, CC BY-SA 3.0


Meistens bilden sich spontan Gruppen von dreissig bis vierzig Tieren, denn Schafe fühlen sich in Gesellschaft am wohlsten, allein gehen will niemand. Die Stimmung ist gut. Alle Schafe sind sanftmütig und friedlich, wie Schafe eben sind, auch die schwarzen Schafe, von denen es immer heisst, sie seien Rüpel und Sorgenkinder.

Während man vorwärtsgrast, wird viel gesprochen und geplaudert. Und das junge Langohrschaf aus dem Saaser Tal im Wallis staunt nicht schlecht. Ob man das alles glauben darf, was die andern Schafe alles erzählen?

Ein Merinoschaf zum Beispiel, das neben ihm grast, hat nichts anderes als Wolle im Kopf. Kein Wunder, denn das Merinoschaf ist ja das Wollschaf schlechthin. Der Juni ist für mich der schlimmste Monat, sagt es zum Langohrschaf, da verliere ich regelmässig 4-5 Kilo Gewicht, das heisst Wolle. Aber so eine Wolle gibt Arbeit, sagt es zum Langohrschaf, man muss wissen, wie man es kämmt und zu Locken dreht, ohne dass es zerrt und rupft. Und stell dir vor, sagt es zum Langohrschaf, es gibt tatsächlich auch Schafe die keine Wolle haben, sondern Haare wie die Geissen. Zum Beispiel das Dorperschaf und das Kamerunschaf. 

Das Langohrschaf staunt.

Wolle ist ja schön und gut, sagt ein Ostfriesisches Schaf, das zugehört hat, aber Wolle ist ja nicht alles. Ich zum Beispiel gebe 500 Liter Milch im Jahr. Und daraus macht man Schafkäse, harten und weichen, und Jogurt und schön fettige Butter, die Menschen sind scharf darauf. 


Dorperschaf (gemeinfrei)                                                 Kamerunschaf. Sinn, CC BY-SA 2.5


Aber nicht alle Schafe sprechen so viel wie das Merino und das Ostfriesen Schaf. Die Heidschnucken und Pommernschafe sprechen wenig, sie konzentrieren sich auf das Fressen. Sie lassen keine Staude aus und fressen alles sauber und kahl, sie sind richtige Spezialisten, Spezialisten für Landschaftspflege.

Skudden und Jakobsschafe hat unser Schaf noch nie gesehen. Sie haben wundersam gedrehte Hörner. Wozu die gut sind, ist dem Langohrschaf ein Rätsel. Zum Kämpfen jedenfalls nicht, Schafe kämpfen ja nicht, Schafe sind friedlich. 


Jakobsschaf. Crosa, CC BY-SA 2.0                                       Heidschnucken, Petzipatz, CC BY-SA 4.0


Aber unser Schaf trifft auch auf Schafe, die es schon kennt, zum Beispiel die Walliser Schwarznasenschafe. Auch sie haben Hörner. Sie sind gute Kletterer und sind schon wieder weit in die steilsten Hänge hinaufgestiegen. 

Auch das Bündner Oberländer Schaf kennt unsere Mutte, weil es wie die Mutte ein seltenes Schaf geworden ist, sie sind darum im gleichen Verein, er heisst ProSpecieRara, Verein für die seltene Tierarten.

Die Oberländer sind ein buntes Völklein, schwarz, braun, weiss, munter und anpassungsfähig.

Aber auch unsere Saaser Mutte muss sich nicht verstecken. Sie ist gross und stark und mit ihren auffällig grossen Hängeohren und ihrer ausgeprägten Ramsnase darf es sich sehen lassen. Eine Ramsnase ist eine vorgewölbte Nase, die gegen den Mund hin abgeflacht ist.


Schwarznasenschaf. David Gerke CC BY-SA 3.0   /   Bündner Oberländer Schaf, ProSpecieRara,


Auf der Ebenalp machen sie Halt. Wie der Name schon sagt, ist es dort schön eben und sie legen sich hin und widmen sich dem Wiederkäuen. Das heisst, all die feinen Kräuter und Blätter und Rindenstücke, die sie gesammelt haben und noch ein bisschen schwer im Magen liegen, würgen sie hoch, um sie nochmals durchzukauen.

Allerdings gibt es auch Schafe, die in Wasserauen die Schwebebahn auf die Ebenalp nehmen. Das sind meistens ältere Schafe, die nicht mehr so gut gehen können oder verwöhnte Stadtschafe aus Zürich oder München. 

Die letzte Strecke auf den Schäfler, der immerhin 1900 Meter hoch ist, weiden dann alle gemeinsam.

Einmal auf dem Schäfler angekommen, machen sie dann nicht viel mehr, als was sie immer tun. Sie stehen vor Sonnenaufgang auf, machen sich auf die Suche nach Gräsern, Kräutern, Blättern, den Trieben von Sträucher ,und was es halt alles so gibt. Dann legen sie sich hin und ruhen sich aus und käuen wieder. Mit ihren Zähnen, die eigentlich keine einzelnen Zähne sind, sondern eine Hornplatte. Dann stehen sie auf und fressen weiter. Und für die Nacht suchen sie sich dann einen guten Platz zum Schlafen.

Die Lämmer sind da weniger ruhig, sie müssen immer was machen, sie turnen überall herum und das ist auf dem Schäfler manchmal auch gefährlich. Darum passen die älteren Schafe abwechselnd auf sie auf. Sie könnten sich ja sonst verlaufen. 


Saaser MuttenProSpecieRara