Weihnachts-

geschichte



Wenn man alt wird, beginnt man Dinge durcheinanderzubringen. 

Das ist nichts Neues, auch wenn man es nicht wahrhaben will,

ist ja klar.

Ich zum Beispiel mache in letzter Zeit ein Durcheinander, wenn es um das Christkind, den Weihnachtsmann und den Samichlaus geht. 

Ich bin mir nämlich nicht mehr sicher, wer die Weihnachtsgeschenke unter den Weihnachtsbaum legt. 

Bis jetzt war ich überzeugt, dass es das Christkind ist, zumal es ja schon in der Krippe unter dem Christbaum liegt, aber die Weihnachtsmänner, die ich überall in den Schaufenstern sehe, sagen etwas anderes, und die Weihnachtsmänner, die an Strickleitern die Hauswände hochklettern, sowieso. 

Es ist jetzt offenbar der Weihnachtsmann, der diese Aufgabe übernommen hat, zusammen mit Schlitten und Rentieren. Wahrscheinlich hat eine Aufgabenneuverteilung stattgefunden, eine Reorganisation in der Abteilung für Weihnachtsangelegenheiten dort oben im Himmelszelt. Das Christkind wird sich nicht beklagen, ist ja kein Honigschlecken, all die Geschenke herumzuschleppen, vor allem wenn das Kind noch ein Baby ist.

Gut, soweit bin ich also – Alter hin oder her – wieder auf dem Laufenden. 

Aber jetzt stosse ich auf ein anderes Problem. 

Wer ist dieser Weihnachtmann, woher kommt er, was sind seine Referenzen? Der Sankt Nikolaus ist immerhin ein Heiliger, war ein Bischof oder sowas. Was ist der Leistungsausweis des Weihnachtsmannes, ausser dass er mit Rentieren umgehen kann? Und warum kleidet er sich wie der Samichlaus? Derselbe Bart, dieselben Stiefel, von den roten Hosen ganz zu schweigen. Ist er der Bruder vom Samichlaus oder sein Onkel? Oder ist es gar der Niklaus selber? Arbeitet der Samichlaus nach dem 6. Dezember einfach weiter und übernimmt die Arbeit, die zu meiner Zeit noch das Christkind gemacht hat? Fragen über Fragen. 


 Gipfel einer Weisstanne


Aber damit noch nicht genug! Wie steht’s um den Baum, unter den die Geschenke gelegt werden? 

Ist das nun ein Christbaum oder ein Weihnachtsbaum oder ein Weihnachtsmannbaum? 

Und um welche Baumart handelt es sich dabei? 

Natürlich um einen Tannenbaum werden Sie sagen, so wie es im Lied heisst: «Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter.» 

Und sehen Sie, da beginnen schon wieder neue Probleme. Denn der weihnächtliche Tannenbaum ist meistens eine Rottanne und eine Rottanne ist ja keine Tanne – sie heisst nur so – sondern eine Fichte. 

Der Tannenbaum, um eine Tanne zu sein, müsste nämlich eine Weisstanne sein und die sind selten geworden. 

Was da der Unterschied ist, werden Sie fragen? Na, ganz einfach: Bei der Weisstanne wachsen die Zapfen nach oben, bei der Rotfichte hängen sie nach unten. Aber was für unser Problem hier wichtiger ist: Eine Weisstanne endet nicht in einer Spitze, die ja der Stolz aller Tannenbaumschmücker und Tannenbaumschmückerinnen ist, sie hat gar keine richtige Spitze, ihre Spitze ist eher ein zerlegenes Nest. 

Die Nordmanntanne allerdings, die man nun häufig sieht, hat eine Spitze, und sie ist tatsächlich eine Tanne, aber sie kann im Lied «Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum» nicht gemeint sein. «Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum» ist ein deutsches Lied, und als es geschrieben wurde, gab es in Deutschland keine Nordmanntannen. Sie kommen aus dem Kaukasus und heissen Nordmann, weil sie ein Herr Nordmann so getauft hat und nicht, weil sie jetzt in Norddeutschland und Dänemark auf Plantagen gezogen werden. 

 

Nun ja, man sieht, ich bin alt geworden und nehme das alles –verglichen mit dem heutigen Zeitgeist – vermutlich viel zu ernst.