Reich



Ha.Sch                    


Sigmund Reich, der 1730 in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, auf die Welt kam, hatte gehört, dass man in Berlin reich werden konnte und so packte der junge Schreiner Hobel und Säge in einen Sack und wanderte der Nordsee entlang durch ganz Ostpreussen nach Danzig und dann durch das Pommernland nach Stettin und von dort nach Berlin. 

In Berlin fand er schnell Arbeit, die Hauptstadt mit ihrem jungen König und den verschwenderischen adligen Offizieren hatte grossen Bedarf an geschickten Handwerkern. Er spezialisierte sich auf die Herstellung von Tischen und aufwändig gepolsterten Sesseln. Das Möbelstück, das am meisten gefragt war, war ein runder Spieltisch mit gedrechselten Beinen und Einlegearbeiten aus verschiedenen Holzsorten auf der Spielfläche. Der Clou aber war, dass man die Spielfläche drehen konnte und dann öffneten sich mechanisch kleine Schubladen, in die man die Spielkarten versorgen konnte. Drehte man die Spielfläche wieder zurück, verschwanden die Schubladen wieder unter der Tischfläche. 

Seine beiden Söhne übernahmen das Geschäft und bauten es aus, sie stellten jetzt fast jede Art von Möbeln her, zusammen mit einer ganzen Schar von Gesellen. Ihre Kinder wiederum gaben die Werkstatt langsam auf, trieben aber weiterhin Handel mit hochwertigen Möbeln. Die Reichs etablierten sich in der Stadt und stiegen im Laufe eines Jahrhunderts ins Grossbürgertum auf, wenn man unter Grossbürgertum jene Klasse verstand, die Unternehmergeist und grossen Reichtum vereinten.

Dann wie immer in solchen erfolgreichen Familienunternehmen kam die Zeit, da nicht alle Nachfolger und Nachfolgerinnen das gleiche Interesse und das gleiche Können zeigten wie ihre Vorfahren und lieber das Familienvermögen zu verprassen begannen. 

Und so ging es mit dem Namen Reich und mit den Geschäften gleichen Namens bergab, bis in der Hauptstadt nur noch ein einfaches Geschäft den Namen Reich trug. 

In dessen Hinterhof stellt eine junge Ur- Ur-usw. Enkelin von Sigmund Reich wieder die kleinen Spieltische her, mit denen ihr Urahne einmal reich geworden war.