In den Niederungen


... durch den Aufenthalt Hölderlins (...), ist

das Dorf Hauptwil hinaufgehoben worden

ins Licht edelster deutscher Dichtung und

für uns Verehrende zu einem geweihten

Boden geworden, den wir mit

jünglingshafter Andacht betreten.

(Dino Larese, Hölderlin in Hauptwil.)



Wann der Jüngling Dino den geweihten Boden von Hauptwil betrat und hinaufgehoben wurde in edelstes Licht, weiss ich nicht, aber als ich vor Kurzem in Hauptwil war, sah alles wieder bodenständig und einheimisch aus.

Ich kann mir aber ungefähr vorstellen, was der Verehrende sagen wollte. Denn Hölderlin hat die Dinge tatsächlich gern hinaufgehoben. Er spricht, wenn er vom Wasser spricht, vom reinen wilden Wasser dort oben, bevor es herunter kam in die Niederungen und im Tälchen von Hauptwil die Stampfe antrieb, mit der zu seiner Zeit der Flachs gebrochen wurde. Und so schreibt er an seine Schwester:

 

Die grosse Natur in diesen Gegenden erhebt und befriedigt meine Seele wunderbar. Du würdest auch so betroffen, wie ich, vor diesen glänzenden, ewigen Gebirgen stehn.

 

Dabei hat er von Hauptwil aus höchstens als schwache Silhouette den Alpstein oder die Churfürsten gesehen.


Hauptwiler Weier


Ihn interessierte die unermessliche Werkstatt der himmlischen Kräfte, nicht die Manufakturen seines Arbeitgebers in Hauptwil.  

Er schreibt vom Aether hoch über den Alpen nicht von der Luft in den Webkellern. Vom silbrig glänzenden Schnee auf den Bergen und nicht von den silbern glänzenden Bleichfeldern, wie es unsereiner getan hätte.

Natürlich soll man nach Höherem streben, aber manchmal, zum Glück, steigt das Höhere ja auch herunter zu uns. Hölderlin schreibt aus Hauptwil an seine Schwester:

 

Und wie vom Aether herab die Höhen alle näher und näher niedersteigen, bis in dieses freundliche Tal, das überall an seinen Seiten mit immergrünen Tannenwäldchen umkränzt, und in der Tiefe mit Seen und Bächen durchströmt ist.

 

Und das stimmt ja. Manchmal, in klarem Licht, scheinen die Berge und ihre Zacken ja auch für uns in den Niederungen wie zum Greifen nah.


Einer der drei Weiher in Hauptwil, die früher zur Fischzucht genutzt wurden

und zusammen mit den Bächen das Wasser für

die Textilmanufakturen bereitstellten.