Götterspeise!




Ich habe mich bei der Götterspeise immer gewundert, warum die Götter darauf so versessen waren oder immer noch sind. Ist doch nur Vanillepudding mit Zwieback!

Da gibt’s anderes, das ebenso gut ist, zum Beispiel Linzer Torte oder Tiramisu. Aber nein, Götterspeise muss es sein, wenigstens in unseren Breitengraden. In anderen ist es wieder anders. 

Nehmen wir als Beispiel die alten mexikanischen Götter.

Für sie gab es nichts Besseres als Blut, am liebsten von gefallenen Kriegern. Das tönt jetzt ein wenig primitiv. Aber das Blut der Krieger war ja eigentlich kein Blut, sondern göttliches Wasser oder Blumennektar. Und auch die Krieger waren ja eigentlich keine Krieger mehr, waren sie einmal tot, sondern Vögel oder Schmetterlinge. Und die Gefangenen, die man den Göttern opferte, waren nicht eigentlich Menschen, sondern Blumen des Schlachtfeldes.


So also muss ich gehen?

Wie die Blumen, die verwelkten?

Wird von meinem Namen nichts bleiben?

Nichts von meinem Ruf hier

auf Erden? 

  Inschrift, Eingangshalle, Museo Nacional de Antropología, Mexico.                   Wenigstens Blumen, 

                                                                                                                  wenigstens Lieder!


Einen Strauss solcher Blumen hatte man immer auf Vorrat.

Denn man konnte die Götter nicht auf später vertrösten, das war keine gute Idee, da tauchte dann plötzlich die Sonne nicht mehr auf, und auch der Mond blieb, wo er war, und sagte: Wenn die mich nicht füttern, leg ich mich schlafen, weckt mich, wenn ihr es euch anders überlegt habt. Und so machte es auch der Regengott und der Kriegsgott sowieso.

Man kann sich die Katastrophe vorstellen.

Also hatte man lieber genug Blumen zur Hand.

Blumen nannte man auch die Gesänge, mit denen man die Götter besang. Cantos y Flores. Lieder und Blumen. So dass man sagen kann, die mexikanischen Götter lebten eigentlich von Blumen.

Alles eine Frage der Wortwahl.


Nezahualcòyotl, 1402-1472,

Herrscher von Tezcoco, Poet, Gelehrter, Konstrukteur.

 

Tecayehuatzin, Herrscher von  Huexotzinco, Philosoph.