Brief an Roger

 

Federer



Hape


Lieber Roger

 

Du schreibst, dass meine Briefe so interessant seien; danke für das Kompliment. Es ist leicht zu berichten, wenn immer was los ist, wie es bei mir der Fall ist. 

Ja, wo soll ich anfangen?

Da war zum Beispiel dieser Kugelschreiber, der nicht mehr schrieb, den musste ich auseinander schrauben, die alte Mine rausnehmen und dann eine neue aussuchen. Ich war mir zuerst nicht sicher, ob ich wieder eine blaue nehmen sollte oder doch lieber eine schwarze. Schwarz ist eleganter, aber blau kann man für alles gebrauchen. Schliesslich entschied ich mich für schwarz und war froh, dass ich das wieder erledigt hatte. Ich habe sofort mit der neuen Mine geschrieben, es war ein gutes Gefühl, neue Besen kehren einfach besser, das wirst du ja von den Tennisbällen her kennen. Dann habe ich darüber nachgedacht, warum man diesen Stift überhaupt Mine nennt. Er hat doch sehr wenig mit einem Bergwerk zu tun. Meines Wissens gibt es ja keine Minen, in denen Tinte gefördert wird. Das hat mich längere Zeit beschäftigt, auch weil ich dann noch den Vergleich mit der Miene machte und überlegte, wie ein einzelner Buchstabe so einen grossen Unterschied machen kann. Auf die Kleinigkeiten kommt es an, das muss ich dir als Tennisprofi ja nicht erklären.

Darauf habe ich die Zähne geputzt, erst die obere Reihe und dann die untere. Ich weiss jetzt nicht, wie du das handhabst, ob du unten beginnst oder mit den oberen Zähnen, und dann muss man sich ja auch noch zwischen links und rechts entscheiden. Darum mache ich es immer auf dieselbe Weise, das erspart viele Entscheide und Unsicherheiten. Ich nehme immer Elmex grün, ich weiss, dass du Elmex rot bevorzugst, aber darüber wollen wir jetzt nicht streiten. Ich nehme nicht allzu viel, aber doch ausreichend, man bekommt ja mit der Zeit ein Gefühl dafür, wieviel man drücken muss, hängt ja auch davon ab, ob die Tube voll oder schon halb leer ist. Ich weiss, dass du eher viel Zahnpasta nimmst, aber das entspricht nun einmal nicht meinem Charakter. Wie halten es auch deine Kinder mit dem Zähneputzen, haben sie da schon gewisse Gewohnheiten und Vorlieben? Gerade beim Zähneputzen führen ja viele Wege ans Ziel.


Ursula


Danach habe ich mir ein frisches Hemd angezogen. Ich habe ein gestreiftes gewählt, vorher hatte ich ein kariertes getragen, ich achte da sehr auf Abwechslung. Wie ist das eigentlich bei dir? Trägst du lieber gestreifte oder lieber karierte Hemden. Ich finde, gestreifte machen intelligent, die karierten eher fröhlich. Ich habe mich beim Anziehen gefragt, wie sie diese Streifen in den Stoff bekommen, ist vielleicht gar nicht so einfach, man weiss ja so wenig, Hand aufs Herz, Roger, was verstehen wir beide schon von Textilien? Ja und dann hast du angerufen und mir über deine Fortschritte mit der Rückhand erzählt, was ich immer spannend finde. Und meine Ratschläge haben dir ja schon oft weitergeholfen. Nach dem Telefonat habe ich abgewaschen mit dem neuen Topflappen aus farbigem Garn. Und ich muss sagen, Topflappen aus Garn schaffen ein ganz anderes Abwaschgefühl, ihr müsst das mal ausprobieren, ich lege dem Brief einen Lappen bei.

Ach ja, da war noch diese Fliege (siehe Foto), du weisst ja wie das ist, man will ihr Gesumse ignorieren, aber es stört einen doch, und man steht auf um sie zu vertreiben, aber man schafft es dann doch nicht, wenigstens mir geht es so, du bist da wahrscheinlich flinker. Nun gut, die Fliege hat mich eine ganze Weile beschäftigt, bis sie endlich zum Fenster rausgeflogen ist. Ja diese Fliegen, du weisst ja, dass ein Weibchen in den 2-3 Monaten ihres Lebens gegen 2000 Eier legt. Und diese Eier verwandeln sich innerhalb von 12 Stunden in Larven, aus denen nach 6 bis 8 Tagen erwachsene Tiere schlüpfen. Also jetzt rechne mal aus lieber Roger; theoretisch könnte 1 Fliege in diesen 3-4 Monaten 4000 Trillionen Nachkommen produzieren. Zum Glück haben sie viele Feinde. Das habe ich jetzt nicht selber ausgerechnet, das habe ich aus einem Buch über Insekten.  

Du siehst, bei uns ist immer was los, hier wird es nie langweilig.

Grüss mir Mirka und die Kinder! 

 

Alles erdenklich Gute 

 

Leo